Hallo zusammen,
sehr schön, dass sich jemand mit einem solchen Video Mühe gemacht hat. Der Spirit einer Morchelsuche wurde meiner Meinung nach perfekt eingefangen, und der Typ mit dem Morchel-T-Shirt kennt sich wirklich aus und hat sehr viel Erfahrung, sodass man seinen Tipps auf jeden Fall glauben kann und vielleicht trotz der fortgeschrittenen Natur doch noch mal selber loszieht.
"Morcheln finden wie die Profis" als Videotitel ist freilich ziemlicher Unfug. Zunächst einmal gibt es keine "Morchelfindeprofis", höchstens "Morchelauskenner", denn in der Natur wachsende Morcheln sind nach dem Bundesartenschutzgesetz streng geschützt, dürfen nur in Kleinstmengen gesammelt werden, und sind allein schon daher für sogenannte "Profis" uninteressant. Die vier Jungs dürften zusammen etwa vier kg Morcheln bei sich haben, sonst bekämen sie Probleme mit der Behörde. Wären sie in einem ausgewiesenen NSG unterwegs, gäbe es schon ab der ersten Morchel Probleme. Bei einer Fundmenge wie der im Video gezeigten, gesammelt in einem NSG, wären etwa 500 Euro Bußgeld fällig.
Auch die Auskenner sind komplett von den Witterungsverhältnissen abhängig und können auch nicht mehr als immer nur die ihnen bekannten Morchelstellen absuchen. Das kam in dem Video sehr gut raus. Es ist daher gut möglich, dass ein "Nicht-Auskenner" zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und seine Eimer voll hat, während für den "Profi" nur dürre, schimmlige Einzelexemplare übrig bleiben. Das Einzige, das der Auskenner dem Nicht-Auskenner voraus haben könnte, ist der "Morchelblick", der es ermöglicht, auch relativ gut versteckte bzw. getarnte Morcheln überhaupt erstmal zwischen all dem Gras und Laub zu sehen. Oder vielleicht noch die Fähigkeit, anhand von zuvor gefallenen Regenmengen und aktuellen Nachttemperatur- und Luftfeuchtigkeitswerten den richtigen Suchzeitpunkt zu erahnen.
Das zweite Problem bezieht sich auf das Projekt "Bodenatlas anhand der pH-Werte". Auch ein solcher Bodenatlas macht nicht sehr viel Sinn, da die Bodenazidität lokal und regional stark schwanken kann. Ein ehedem steinpilz- und pfifferlingsreicher "Wald" (eigentlich ist es zumeist ein bewirtschafteter Forst und kein naturnaher Wald) kann durch einmalige forstliche Kalkdüngung mit einhergehender pH-Wert-Erhöhung in eine komplette Speisepilzwüste verwandelt werden, etwa wie eine Magerwiese durch einmalige Gülledüngung all ihrer ehemaligen Wiesenpilzvorkommen beraubt sein kann. Die Absauerung eines Waldbodens durch Regeneintrag (mittel- bis langfristige pH-Wert-Erniedrigung) ist ja hinlänglich bekannt, so dass auch durch lokalen Regeneintrag die Bodenazidität beeinflusst ist.
Weitaus sinnvoller als das Erforschen der "Müsste-eigentlich-sein-Verhältnisse" in einem Bodenatlas ist daher die eigene Beobachtung der lokalen Bodenverhältnisse anhand der Kraut- und Moosschicht, also von vor Ort vorhandenen Zeigerpflanzen und -moosen. Mit anderen Worten, man muss sich daran üben "gute" Pilzstellen direkt vor Ort anhand der vorhandenen Vegetation zu erkennen. Zuverlässige Anzeiger niedrigerer pH-Werte sind z. B. dichtes Moos und fruktifizierende (!) Heidel- und Preiselbeeren. Wo der Boden so ist, wird man mit der Suche nach Steinpilzen und Pfifferlingen Erfolg haben. Dagegen wird kalkhaltiger Boden durch einen reichen Waldkräuter- (z. B. Waldmeister) und Gras-(z. B. Haargerste oder Hainsimse)bewuchs angezeigt. Die im Wald vorhandenen Schneckenarten sind bei geringer Azidität solche mit "Schneckenhaus" (auch dies wurde in dem Video lobenswert erwähnt), auf saurem Boden findes sich dagegen überwiegend oder sogar allein Nacktschnecken.
Mein Fazit: trotz des reißerischen Titels ein mehr als nur unterhaltsames halbes Stündchen, das man auf jeden Fall gesehen haben sollte, wenn man sich für Morchelsuche interessiert.
FG
StephanW